Sexualitäten
… gibt es viele. Ich weiß, dass es falsch ist, das Ganze in Hetero-, Homo- und Bisexualität zu unterteilen. Da das aber die drei sind, mit denen ich „zu tun hatte“, werde ich nur von diesen drei schreiben.
Als Kind war Sexualität für mich überhaupt keine Frage. Ich habe erst in der Grundschule bewusst erfahren, dass es auch gleichgeschlechtliche Paare gibt. Wahrscheinlich, weil es einfach normal war, beziehungsweise ist. Selbst da habe ich nicht wirklich darüber nachgedacht, das war für mich einfach so. Ich kannte keine gleichgeschlechtlichen Paare (oder kann mich zumindest nicht dran erinnern), mir wurde diese Art von Sexualität also nie wirklich gezeigt, was ich aber auch in keinster Weise schlimm finde. Als ich in der siebten oder achten Klasse war, habe ich das erste Mal wirklich überlegt, ob ich auf Frauen stehe. Ich war mit einer Freundin im Urlaub und meinte, Gefühle für sie zu hegen. Ich habe den Gedanken dann aber wieder abgelegt, ich glaube, weil ich ihn unwirklich fand, es war ja schließlich eine Freundin.
Als ich in England war, hatte ich mit ganz anderen Menschen Kontakt als hier in Deutschland. Die Akzeptanz für Menschen, die nicht den Normen entsprechen, war so unglaublich viel höher als das, was ich bis zu den Zeitpunkt kannte. Das war einfach so und fertig.
Als ich dann wieder zu Hause war, habe ich mich in eine weibliche Person verliebt. Ich habe viel darüber nachgedacht. Am Anfang dachte ich noch, das geht vorbei, das ist nur eine Phase. Du magst vielleicht gar nicht die Person an sich, sondern das, was sie macht, deshalb denkst Du das. War aber nicht so. Und das für mich selber zu akzeptieren, war so ein unglaublich großer und schwerer Schritt. Man denkt sich, eigentlich kann so etwas doch gar nicht so schwer sein, dann bist Du halt eben anders, was ich daran so schlimm? Ja, so denke ich mir jetzt. Aber bis zu dem Zeitpunkt habe ich einfach vor mich hingedümpelt, ich habe mir nie wirklich Fragen über mich selbst gestellt, ich war einfach immer. Und ich kannte diese Form der Liebe gar nicht richtig. Ich habe mich gefragt, was andere dann sagen würden. Würden Freunde mehr Abstand von mir wollen? Was würden die Leute aus meinem Sportkurs sagen? Meine Familie?
Zuerst habe ich mich mit der Bisexualität identifiziert. Ich habe zwei Freunden davon erzählt. Die Eine hatte irgendwie schon so eine Vorahnung. Als ich’s dann auch den anderen erzählt hatte, ist mir irgendwie ein Stein vom Herzen gefallen. Keiner fand das komisch oder wollte mehr Abstand oder sonst was, nichts hat sich dadurch verändert.
Trotzdem hat mich das Thema noch belastet. Was würden meine Eltern dazu sagen, geschweige denn meine Großeltern? Ich habe mich zuerst dazu entschieden, mit der Person zu reden, für die ich Gefühle hatte. Sie meinte natürlich, ich soll mit meinen Eltern darüber reden. Irgendwann hab ich’s dann meinem Vater erzählt. Er fand’s in keinster Weise schlimm. Das hat mich aber einiges an Überwindung gekostet. Ebenso bei meiner Mutter. Sie meinte, dass sie auch mal gemeint hat, sie hätte Gefühle für eine Freundin, das wäre ganz normal. Aber es war bei mir eben keine Freundin. Ich wollte aber auch nicht sagen, wer es war, von daher war das Thema erst mal abgeharkt. Für die Anderen zumindest, für mich natürlich nicht.
Zwischendurch hat mich eine Freundin gefragt, warum bi und nicht lesbisch, ob ich mir damit nicht etwas nicht eingestehen wollte. Zu dem Zeitpunkt war ich mir zu 100 Prozent sicher, dass ich bisexuell bin. Ich habe mich sowohl zu Jungen als auch zu Mädchen hingezogen gefühlt.
Irgendwann habe ich angefangen zu sagen, dass ich nicht das Geschlecht liebe, sondern den Charakter eines Menschen. Und das ist die Einstellung, die, meiner Meinung nach, jeder einzelne Mensch da draußen haben sollte. Lasst die Menschen lieben, wen sie lieben. Für Hass haben wir überhaupt gar keine Zeit und keinen Platz in unserer Gesellschaft, die Menschen haben sich ihre Sexualität auch nicht ausgesucht. Weder die heterosexuellen Menschen, noch homo- oder bisexuelle.
Ich persönlich habe irgendwann gemerkt, dass ich mich doch eher zum weiblichen Geschlecht hingezogen fühle. Ich tippe, ich habe immer gesagt, ich bin bisexuell, um mir beide Türen offen zu halten. Aber selbst wenn ich jetzt auf Frauen stehe, heißt das nicht, dass ich mich nicht in Männer verlieben könnte. Noch vor zwei Jahren hätte ich niemals gesagt, dass ich jemals auf Frauen stehen würde.
Mit Homophobie wurde ich bis jetzt nur ein Mal konfrontiert. Eine Freundin von mir wurde gefragt, ob sie nicht Angst hätte, dass ich mich in sie verlieben könnte. Klar, jede heterosexuelle Frau verliebt sich in jeden Mann, dem sie begegnet. Andersrum natürlich genauso. Das ist absoluter Quatsch, den man am besten einfach nur ignorieren sollte. Solche Leute denken nicht richtig nach und sind intolerant, da habe ich weder Lust noch Zeit, mich damit auseinander zu setzen, geschweige denn, mich darüber aufzuregen, denn im Endeffekt bringt das Ganze sowieso nichts, weil die Leute oft zu alt eingefahren sind in ihrer Denkweise. Das ist schade, aber da kann ich als Einzelne nichts dran ändern.
Viele Leute wissen das nicht über mich. Das ist nicht, weil ich das verheimlichen würde, es ist einfach, weil dieser Teil von mir für mich einfach zur Normalität geworden ist. Er gehört genauso zu mir wie die Tatsache, dass ich blaue Augen habe und klein bin. Mich kann man immer darauf ansprechen, ich habe absolut kein Problem damit, darüber zu reden, im Gegenteil: ich mag’s eigentlich immer, andere Meinungen und Positionen dazu zu hören. Trotzdem binde ich das nicht jeden auf die Nase, weil andere ja auch nicht zu mir kommen und sagen „Hi, ich bin xy, ich bin heterosexuell.“ Obwohl das schon ein wenig lustig wäre… 😉