Naivität

25. Mai 2019 0 Von jule

… wird in der Umgangssprache auch als Blauäugigkeit (passt bei mir ja sogar…) bezeichnet.

Im Duden steht zu naiv:

von kindlich unbefangener, direkter und unkritischer Gemüts-, Denkart [zeugend]; treuherzige Arglosigkeit beweisend[1]

Und ich finde, die Beschreibung passt. Kinder sind so unbefangene Menschen, die noch alles glauben und in allem das Positive sehen. Das ist eine Einstellung die mehr Leute brauchen, finde ich, vor allem viele Erwachsene. Es gibt in unserer Welt so unglaublich viel Misstrauen, viel Negativität, viele Vorurteile und ganz viel anderes negatives. Aber warum, wofür? Warum muss ich immer alles hinterfragen und kann Dinge oder Menschen nicht mal einfach so nehmen, wie sie sind?

Ich bin ein naiver Mensch, keine Frage. Wenn mir jemand etwas erzählt, glaube ich das meistens sofort. Wenn mir ein neuer Mensch begegnet, begegne ich ihm mit Offenheit, ich sehe in Menschen prinzipiell zunächst das Gute. Ich finde es toll, wenn Menschen mir ihre Geschichte erzählen.

Ich habe mich letztens über Naivität mit einer Freundin unterhalten. Sie findet es sogar gut, wenn Menschen das Gute sehen anstatt direkt Misstrauen zu haben und das denke ich auch. Ich muss nicht immer alles hinterfragen, mir nicht (zumindest über solche Dinge) den Kopf zerbrechen. Aber ich muss auch aufpassen, weil man manchmal manche Dinge doch hinterfragen sollte.

Wenn sich ein 70-jähriger Mann mit mir unterhält, okay. Zu dem Zeitpunkt keine Hintergedanken zu haben, ist noch im Rahmen, sie könnten aber langsam schon aufkommen. Wenn er dann meine E-Mail Adresse haben möchte, wird’s langsam kritisch. Wenn er sagt, er könnte einen in Paris herumführen und er habe in Museen kostenlosen Eintritt, sollte man Abstand nehmen. Wenn dann in der E-Mail steht: „ich bin nicht verheiratet ! haha !“ und die Frage aufkommt, ob man Skype hat, sollten sämtliche Alarmglocken klingeln. Ich, in meiner Art und Weise, hatte leichte Hintergedanken bei der E-Mail. Jeder, dem ich davon erzählt habe, hätte schon beim Gespräch Abstand genommen.

Ja, durch Abstandnehmen schütze ich mich selber. Aber wenn ich mich mit Menschen unterhalte, erweitere ich meinen Horizont, ich kann vielleicht von ihrer Lebenserfahrung profitieren. Warum sollte ich dann auf Abstand gehen? Ich finde es schwer, zu sagen, wann ein Mensch zu weit geht, wann ich Misstrauen hegen sollte. Dann eine Linie zu ziehen, um Abstand zu schaffen. Aber ich muss mehr aufpassen.

Auch im Umgang mit sich selbst kann man sehr naiv sein. Klar, das schaffe ich mal eben in fünf Minuten. Und das schaffe ich doch auch noch locker parallel neben her. Das ist leichtgläubig und Quatsch. Auch im Hinblick auf sich selber sollte man sich lieber richtig einschätzen. Aber ich bin nicht nur in der Hinsicht bei mir selber naiv, sondern ich verlange manchmal Dinge von mir selber, die ich nicht schaffe, schätze mich also zu hoch ein, bin zu gutgläubig im Umgang mit mir selbst. Es gibt Dinge, die brauchen einfach Zeit. Ich gebe mir oftmals nicht genug Zeit für Dinge. Klar, wenn ich am Anfang stehe, kann ich nicht wissen, wie lange sich etwas hinziehen wird. Aber wenn es nach zwei Jahren immer noch Teil meines Lebens ist, ist das auch okay. Solange ich daran arbeite und mich damit beschäftige, ist das auch legitim, wenn es in fünf Jahren noch in meinem Leben ist.

Und selbst wenn ich gemerkt habe, dass ich mal wieder zu naiv an etwas heran gegangen bin, fällt es mir schwer, den Menschen das nahe zu bringen, auch mir selbst. Klar, auf E-Mails kann ich einfach nicht mehr antworten. Aber anderen Menschen so etwas zu sagen, kann ich fast gar nicht. Auch mir selbst einzugestehen, dass ich mal wieder zu gutgläubig war, fällt mir schwer.

Also, ich denke: wir brauchen mehr Naivität gegenüber anderen Menschen, um weniger Negativität zu haben. Gleichzeitig aber mehr Realität im Umgang mit uns selber. Und die, die in einer misstrauischen Welt naiv sind, müssen auf sich selber aufpassen 😉

[1] Quelle: https://www.duden.de/rechtschreibung/naiv 17. Mai 2019