Halleluja ohne H
Amen. Die Messe ist beendet. Nach nur einer halben Stunde, obwohl die sonstige Animation immer wesentlich länger dauert. Was also tun? Ich hole Mensch-ärgere-Dich-nicht und gehe zu zwei Damen. Sie haben heute aber keine Lust, zu spielen. Stattdessen fragen sie mich, ob es heute Kaffee gebe. Ja, gibt es. Es gibt heute keinen Kaffee? Doch, heute gibt es Kaffee. Eine andere Frau fragt, ob sie im Altenheim wohnt. Ja. Ist das hier das Altenheim von Boulay? Ja. Schlafe ich auch hier? Ja. Sie wendet sich jemand anderem zu. Ist das hier das Altenheim von Boulay? Ja. Schlafe ich auch hier? Ja. Wann denn? Ich habe keine Ahnung. Und wer bringt mich hoch? Auch das weiß ich nicht. Sie wendet sich jemand neuem zu. Wer bringt mich hoch? Keine Ahnung. Wohne ich hier?
Ich gehe weiter, suche jemanden, mit dem ich spielen kann. Und werde fündig, sie freut sich auch darüber. Es geht also los. Neben mir möchte jemand zu Jeanette. Ich habe keine Ahnung, wer Jeanette ist, beschließe, ihn zu ignorieren. Hallo, ob ich ihn denn nicht zu xx bringen kann. Wer ist das denn? Ja, xx eben. Nein, da müssen sie noch auf xy warten. Ich spiele weiter. Eine neue Frau kommt, möchte an dem Mann vorbei. Ich stehe auf, weil ich merke, dass hier sonst gar nichts mehr funktioniert, und schiebe den Mann weg. Er ruft den Namen seiner Frau. Ich spiele weiter, unkonzentriert. Der Mann fängt an, Krankenschwestern zu sehen, wo keine sind und droht damit, noch lauter zu rufen als er es ohnehin schon tut. Ich bin kurz davor, laut loszulachen oder laut loszuschreien. Ich entscheide mich für keines der beiden und spiele stattdessen einfach weiter, verwechsle Spielfiguren, vergesse, dass mein Gegenüber bei einer sechs nochmal würfeln darf, sage, dass es nicht schlimm ist, die ganze Zeit eine eins zu werfen. Der Mann fährt wieder in unsere Richtung, eine neue Frau kommt an unseren Tisch. Sie fragt mich etwas, ich verstehe die Frage nicht, weil mich die Situation überfordert. Nein, ich habe keine Sorgen, der Mann bringt mich nur aus dem Konzept. Es wird weitergespielt. Irgendwann wird der Mann abgeholt. Wieder eine neue Frau kommt an unseren Tisch. Ich versuche, parallel weiter zu spielen, scheitere kläglich. Ob ich heute Morgen mit ihr gespielt habe. Nein, das war die andere Deutsche. Und wo ist sie? Ich habe sie gerade noch gesehen, aber aktuell keine Ahnung. Mhh, okay. Ich würfle vermeintlich zwei Mal, bin absolut unkonzentriert und nicht mehr aufnahmefähig für irgendetwas.
Und am Ende des Tages kommt ein Danke für’s Spielen, es hat mir Spaß gemacht. Ein Ich wünsche Ihnen das allerbeste. Ein Schönes Wochenende. Ein Danke.
Ich bin mittlerweile also in Frankreich angekommen. Nicht nur räumlich sondern komplett. Dass das so schnell gehen würde, hätte ich nicht gedacht, aber es ist echt super schön hier.
Mit der Wohnung hab ich’s super getroffen, mit den anderen Freiwilligen ebenfalls. Wir lachen echt viel gemeinsam und ich fühle mich pudelwohl. Die Arbeit war auch die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Ich wollte ja eigentlich etwas mit Kindern machen, dann habe ich mich aber doch für Kultur interessiert und bin jetzt im Altenheim gelandet. Aber die Arbeit erfüllt. Es macht glücklich, ein aufrichtiges Danke zu hören, ein herzliches Lächeln zu bekommen. Unsere Arbeit hier besteht nicht darin, die Menschen zu pflegen, sondern darin, zu animieren. Wir spielen (viel) Mensch-ärger-Dich-nicht, Domino, Scrabble, ein mal pro Woche Bingo, wir gehen raus. Selbst, wenn jemand keine Lust hat, etwas zu spielen, kommt ein Danke, dafür eben, dass man sich trotzdem die Mühe gemacht hat, demjenigen Zeit zu widmen. Und das kann ich sagen, nachdem ich noch nicht mal zwei volle Wochen hier arbeite. Eben der erste Eindruck.
Mit der Sprache, das klappt auch ganz gut. Ich verstehe besser als dass ich spreche, aber das ist für den Anfang normal, denke ich mal. Was anstrengend ist, ist Scrabble. Ich kenne viele Wörter nicht und es fallen mir auch nur wenige, kurze ein, die ich legen kann. Und Bingo. Wer hat sich nochmal das System hinter den französischen Zahlen ausgedacht?!
Mein erster Eindruck von den Menschen hier ist, dass sie lockerer sind. Vielleicht (oder sogar wahrscheinlich) gibt’s solche Menschen auch in Deutschland, aber ich habe sie nicht kennen gelernt. Es ist Mittwochabend, wir gehen mit unserem Chef etwas trinken. Dieses das Leben nicht so ernst nehmen. Aber ernst nicht im Sinne von wegschmeißen, sondern von spießig, strikt.
Mal schauen, was mich hier sonst noch so erwartet, bis bald (: