Schuld(en)
Was schulde ich eigentlich wem?
Letztens habe ich einen Podcast gehört, in dem es um Beziehungen geht und darum, dass sie heute vielleicht nicht mehr unbedingt im klassischen Sinne sein müssen. Ich habe ihn in erster Linie gehört, weil er in einem gut verständlichen Französisch ist. Aber irgendwie hat mich das Thema dann doch gepackt.
Der Podcast heißt « Le cœur sur la table » und in ihm hat die Moderatorin immer verschiedene Gäste. In einer Folge ging es dann unter anderem darum, welchen Platz man anderen Beziehungen in seinem Leben einräumt.
An einer Stelle meinte eine Gästin dann (frei übersetzt nach mir): „Was schulde ich meinem Partner eigentlich?“ Die Frage ist für eine romantische Beziehung schon sehr interessant: wie viel gebe ich? Und warum gebe ich das eigentlich? Weil ich das will? Weil meine Partnerin oder mein Partner mir sonst mehr geben würde und ich ein Gleichgewicht halten möchte? Oder eigentlich nur, weil es von mir (gesellschaftlich) erwartet wird? Weil ich es ihm/ ihr schulde oder denke zu schulden?
Wenn wir an Beziehungen denken, dann denken wir häufig an romantische Beziehungen. Dabei sind alle anderen Beziehungen für uns auch elementar: Mutter-Sohn, Vater-Tochter, freundschaftliche Beziehungen… und über unsere romantischen Beziehungen vergessen wir die anderen vielleicht manchmal ein bisschen zu sehr.
Warum sollte man alle anderen Beziehungen nicht wie romantische behandeln? Kann man die Frage des Schuldens also nicht auch auf die anderen Beziehungen ausweiten? Warum gehe ich zu dem Treffen? Weil ich Lust habe, oder weil ich nicht die Einzige sein will, die nicht kommt? Aus Angst, etwas zu verpassen? Warum mache ich meinen Mund gerade jetzt nicht auf? Weil’s mir wirklich egal ist? Oder vielleicht eher, weil ich Angst habe, anzuecken? Weil ich Angst habe, den oder diejenige zu verlieren. Weil ich denke, er/ sie ist immer gut zu mir, ich schulde ihm/ ihr jetzt, einfach zuzuhören, obwohl ich mich besser mit etwas anderem beschäftigen sollte?
Und wenn in einer romantischen Beziehung Streit so normal ist, warum dann nicht auch in allen anderen? Sobald sich ein Paar streitet, soll es sich zusammenraufen, „die kriegen das schon wieder hin“. Aber ein Zerstreiten in Freundschaften dagegen geht viel schneller, man „wirft die Beziehung viel schneller weg“, arbeitet weniger an ihr, pflegt sie nicht so sehr wie eine romantische. Und ist das nicht eigentlich schade? Diese Menschen sind doch auch Teil unseres Lebens, formen uns auf ihre eigene Art und Weise und sind für uns da, wir vertrauen uns ihnen an. Sind wir es ihnen nicht also ein kleines bisschen schuldig, uns um die Beziehung zu kümmern?
Mir ist bewusst, dass eine romantische Beziehung nochmal etwas anderes ist als zum Beispiel eine freundschaftliche Beziehung, sie hat noch andere Komponenten. Aber wenn wir rein die mentale Komponente betrachten, dann haben sie doch viel gemeinsam: wir entwickeln uns durch sie weiter, wir erfahren durch sie Halt und Unterstützung, können uns jemandem anvertrauen, fühlen uns wohl und sie sind ein fester Bestandteil unseres Lebens.
Was ich also versuchen möchte, ist, Beziehungen auch mal als solche anzusehen, Zeit zu investieren, an ihnen zu arbeiten, sie zu pflegen. Und vielleicht auch mal wieder zu sagen, wie gern‘ ich die Leute doch eigentlich habe…
Ich denke genau das schulde ich allen meinen Beziehungen, nicht mehr, aber eben auch nicht weniger 🙂